Jost Auler ist als umtriebiger Autor in Sachen Archäologie und Geschichte des Niederrheins wie als Experimentalarchäologe, hauptsächlich mit Kindern, unter historisch Interessierten wohlbekannt. Obwohl der Vater Ahnenforscher war, hat ihn die Familiengeschichte nicht gepackt (da geht es ihm wie mir). Dennoch hat er jetzt ein Buch aus diesem Gebiet verfaßt, weil sich im Familienstammbaum mit dem deutschen Pioniergeneral und türkischen Militärberaters Carl Lorenz Auler Pascha (1854–1930) eine eminent interessante Person findet. Dessen Familienzweig ist offenbar erloschen.
Carl Auler entschied sich nach der Reifeprüfung in Köln 1871 zu einer Offizierslaufbahn bei den Pionieren, die auch eine Ingenieursausbildung einschloß. Er entwickelte sich zu einem angesehenen Experten für Festungsbaukunst. Die vielleicht überraschendste Entdeckung, wenn man nicht in der Militärgeschichte drinsteckt, sind die Bilder der Festung Cöln
. Bei oberfLächlicher Betrachtung mag man sie für beliebige, denkmalpflegerisch uninteressante Wirtschaftsgebäude halten, als die sie heute genutzt werden. Tatsächlich sind sie Überreste des einstmals größten Festungsringes des Deutschen Reiches.
Carl Aulers Karriere ging gut voran, und 1898 wurde er nach Ulm versetzt und ein Jahr später Leiter der Artillerie- und Ingenieursschule. 1901 bot sich dem mittlerweile zum Oberstleutnant Beförderten dann die Chance, die ihn historisch interessant macht und daher den Hauptteil des Buches einnimmt. Er wurde als Militärberater in die Türkei unter Sultan Abdul Hamid II. entsandt. Dort wurde er für die Zeit seines Dienstes in den Rang eines Generales der türkischen Armee erhoben und durfte fortan den Ehrentitel Pascha im Namen führen. Freilich war das eine eher ernüchternde Erfahrung. Man hielt es wohl politisch für geboten, Militärberater des wichtigen Verbündeten einzuladen. Tatsächlich war man militärisch an ihnen uninteressiert. Die erhofften Inspektionsreisen zu türkischen Festungen, in denen Auler Pascha seine Expertise im Festungsbau ausspielen hätte können, fanden lange Zeit schlicht nicht statt.
Die erhebendste Episode von Auler Paschas Türkeiaufenthalt waren dann zwei Fahrten mit der Hedschasbahn, deren Baufortschritt er inspizieren sollte. Diese Bahn fuhr seit Eröffnung der ersten Teilabschnitte 1902 auf der Strecke von Damaskus nach Medina – der letzte Bauabschnitt nach Mekka wurde nie realisiert. Eine gewisse Bekanntheit erlangte sie durch den legendären Lawrence von Arabien, der im ersten Weltkrieg mit den Beduinen Angriffe auf sie führte, um die türkischen Nachschubwege zu unterbrechen. Nach 1924 wurden wegen Unwirtschaftlichkeit nur noch Teilstrecken betrieben. Ein ergänzender Hinweis für die Freunde niederhessischer Geschichte: einige der ersten Lokomotiven wurden von Henschel in Kassel gebaut. Leider haben die im Internet auffindbaren Fotos alle nicht die Mallet-Bauweise der Henschelloks. Nach den Enttäuschungen seines bisherigen Dienstes im türkischen Heer entwickelte Auler Pascha einigen Ehrgeiz mit diesem Projekt. Er korrespondierte mit dem Straßburger Semitisten Julius Euting (1839–1913), der das Gebiet zuvor unter großen persönlichen Gefahren bereist hatte, um altarabische Inschriften zu studieren. Auch hatte er eine Fotoausrüstung dabei, was damals, vor Erfindung des Rollfilms, sehr viel Aufwand bedeutete. Und er beließ es nicht bei Berichten an seinen türkischen Dienstherren, sondern publizierte zwei Berichte als Beihefte zu Petermanns Geographischen Mitteilungen. Diese Zeitschrift hatte für die Erschließung der Welt damals eine heute kaum noch faßbare Bedeutung. Auler erwies sich dabei als weltoffener Beobachter, dem es beileibe nicht nur um militärische Zweckdienlichkeit ging. Unter anderem berichtete er auch über einen Besuch der legendären Felsstadt Petra, die damals ziemlich unzugänglich war. Leider bleibt Aulers Ehefrau, die offenbar bei den Fahrten mit der Hedschasbahn dabei war, wohl quellenbedingt eine Leerstelle.
Auler Pascha ließ sich dann 1908 vorzeitig wieder nach Deutschland versetzen. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges endete sein Ruhestand nach wenigen Monaten. Nach dessen Ende, das er während eines langwierigen Lazarettaufenthals erlebte, wurde er als General der Infanterie pensioniert und starb 1930 in Ulm.
Jost Auler gelingt es, das Leben seines Großonkels in lebendigen Farben zu illustrieren. Den Schwerpunkt nimmt dabei die Zeit in der Türkei und die Fahrten mit der Hedschasbahn ein. Es erinnert ein bißchen an die Bücher aus oder über die Pionierzeit der Archäologie, mit denen wahrscheinlich jede Archäologenkarriere im Jugendalter beginnt. Insofern erzeugt es beim Leser eine wohlige emotionelle Wärme, ist aber gleichzeitig akribisch recherchierte Geschichtsschreibung. Guten Geschichten ist eben mit historischer Fachkenntnis weitaus mehr gedient als mit überbordender Phantasie.
Bibliographische Daten: Jost Auler, Karl Lorenz Auler Pascha (*1854, † 1930). Preußischer Offizier, Militärberater im Osmanischen Reich, Reiseschriftsteller und Weltkriegsgeneral. Eine Kurzbiographie. Dormagen: archaeotopos 2018. ISBN 978-3-938473-22-1, 124 S., 60 Abb., 18,– €
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