Bereits die neunte Auflage erlebten die Vellmarer (früher Kasseler) Schachtage mit 246 Teilnehmern in drei Klassen. Dennoch konnte jeder Teilnehmer an seinem eigenen Tisch untergebracht werden. Dazu das hervorragende Catering, hauptsächlich durch Familie Strutzke, und die breit gestreuten Preise, die eine klar breitensportlich orientierte Ausrichtung erkennen lassen, machen dieses Turnier zu Recht sehr beliebt. Titelverteidiger Viesturs Meijers aus Lettland dürfte dann wohl auch der einzige Profi gewesen sein, der teilnahm.
Letztes Jahr war ich nach zwei Siegen gegen stärkere Leute mit drei aus drei in ein insgesamt glänzendes Turnier gestartet. Diesmal verlief der Beginn in das Turniers alles andere als vielversprechend und ließ die kommenden Ereignisse nicht erahnen. Als 41. der Setzliste war ich im A-Turnier noch in der oberen Hälfte. Gegen den jungen Ole Reichelt vom Hamelner SV langte es nur zu einem frühen Remis. Anläßlich des Ihme-Cups 2014 habe ich schon einmal eine Partie gegen ihn kommentiert.
In der zweiten Runde traf ich auf Sebastian Lorenz von SK Dingelstädt (Thüringen). Er griff mich beherzt an, aber ich konnte mit knapper Not entkommen und dann das Endspiel gewinnen.
Dieser Sieg brachte mir mit Elijah Everett von den Schachfreunden Schöneck aus Südhessen erstmals einen stärkeren Gegner. Da die vorherige Partie ziemlich lange gedauert hatte, war ich erst spät zum Essen gekommen, und das rächte sich. Mir fielen am Brett die Augen zu. Die Eröffnung spielte ich schlecht und verbrauchte zudem viel Zeit. Dank Kaffeeflatrate des Caterings war ich gerade rechtzeitig hellwach, um ein taktisches Versehen meines Gegners auszunutzen.
Als nächstes wurde Philipp Humburg (Kasseler SK), der überraschend in der ersten Runde verloren hatte, zu mir hochgelost. Nach etwas spekulativer Eröffnung meinerseits bemerkte er wohl einen Moment zu spät, daß ich Gegenspiel bekomme und wurde der taktischen Probleme nicht mehr Herr.
Mit nunmehr 3½ Punkten aus vier Partien mußte ich gegen Pascal Neukirchner vom SK Gründau, der gerade GM Meijers ein Remis abgeknöpft hatte, spielen. Es wurde eine sehr taktische Partie, in der ich den vorletzten Fehler machte. In der Computeranalyse scheinen da viele Fragezeichen auf, die aber der tatsächlichen Leistung beider Spieler am Brett sicherlich nicht gerecht werden.
Man mag es kaum glauben, aber damit spielte ich in der sechsten Runde tatsächlich an Brett 1. In Erwartung einer sicheren Niederlage hätte ich gerne GM Meijers bekommen, aber der hatte mittlerweile schon zwei Unentschieden zugelassen. Der erst 16jährige Samuel Weber vom SV Oberursel lag zusammen mit mir in Führung – am Ende wurde er dritter. Wir lieferten uns eine spannende Partie, bei der die Vorteile eher bei mir lagen. Aber wie zuvor meine Gegner stellte nunmehr ich mich bei der Vorteilsverwertung wenig geschickt an. Immerhin sprang ein Remis dabei heraus.
So spielte ich in der letzten Runde tatsächlich um den Turniersieg mit. Gegen den starken FM Gunnar Schnepp aus Österreich, der für den SK Lauffen in Württemberg spielt, verließ mich das Turnierglück und ich stellte schon in der Eröffnung Material ein. Überraschend bekam ich noch eine Chance serviert, Dauerschach zu geben, aber mit wenig Zeit ging ich auch daran vorbei.
Eigentlich glaubte ich, wegen einer zu schlechten Wertung aus den Preisrängen herausgefallen zu sein und den Ratingpreis 1901–2100 zu bekommen. Aber offenbar liefen viele Resultate für mich günstig, denn Samuel Weber teilte mir plötzlich mit, daß ich fünfter sei, was noch einen höher dotierten Hauptpreis ergab. Das bestätigte sich bei der leider etwas tumultuarisch verlaufenen Preisverleihung. Mir ist ein solches Husarenstück zwar schon mal 2013 in Bad Zwesten geglückt, als ich als fünfter hinter drei Großmeistern ebenfalls einen Hauptpreis bekam, damals hatte ich aber einen deutlich schlechteren Gegnerschnitt. So ist das Turnier das beste meines Lebens und katapultiert mich ziemlich überraschend auch wieder über die magische 2000er-Grenze bei der DWZ.
Bis auf die Siegerehrung war es ein perfekt organisiertes Turnier. Die erfahrenen Veranstalter werden sicher ihre Schlüsse daraus ziehen. Vom ESV Rot-Weiß Göttingen nahmen noch Martin Werner und Daniel Zell sowie die Ziegenfuß-Schwestern teil. Daniel begann mit einem Remis gegen einen sehr starken Gegner. 50 % reichten ihm am Ende für ein kleines DWZ-Plus. Martin war zuletzt sehr gut in Form, wie z. B. sein Sieg beim offenen Vereinsturnier des ESV beweist. Das schien sich auch zunächst in Vellmar fortzusetzen, als er drei nur etwas schwächere Gegner schlug und auch Viesturs Meijers ordentlich unter Druck setzte. Leider verlor er beide Sonntagspartien, so daß am Ende sogar ein leichter DWZ-Verlust herausschaute mit ebenfalls 50 % (einmal mußte er aussetzen). Antonia Ziegenfuß landete ebenfalls bei 50 % im A-Turnier, was für einen satten DWZ-Aufschlag genügte. Ihre Schwester Larissa gewann im B-Open mit 4½ Punkten den zweiten Damenpreis. Im B-Open traten Joshua und Adrian Hoke an, die zwar Grün-Weiß Parensen angehören, aber in Tamara Klinks Trainingsgruppe beim ESV mitmachen und darüberhinaus von mir trainiert werden. Beide holten vier Punkte, wobei Joshua deutlich über Erwartung abschnitt. Der zuletzt sehr erfolgsverwöhnte Adrian startete mit drei Niederlagen und tat dann immerhin das, was man in der holprigen Fußballersprache als Moral beweisen
bezeichnet. Alle Ergebisse gibt es bei chess-results.com.
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