Mensenkamp sammelt sowohl Gesellschafts- als auch Kinderspiele. Neben Brett- und Kartenspielen finden sich auch Puzzle, Bastelbögen und Aufstellfiguren. Letztere wurden früher auf Papierbögen gedruckt und vom Käufer dann selbst ausgeschnitten und an der Basis an Holzleisten geleimt.
Es werden ziemlich viele Brettspiele gezeigt, deren Regularium wohl meistens mit Halma oder Monopoly zu vergleichen wäre. Man verläßt sich dabei weitgehend auf den visuellen Eindruck. Das eigentlich wesentliche, die Spielregeln, sind in einer Ausstellung schlecht darzustellen. Soweit die Exponate überhaupt aus vollständigen Sets bestehen (häufig sind wohl nur die graphisch ansprechenden Spielpläne aufgehoben worden), sind die Regeln zwar in den Vitrinen ausgelegt, dort lassen sie sich aber kaum bequem lesen. Glücklicherweise ist ein richtiger Ausstellungskatalog erschienen, in dem sie faksimiliert wurden1. Man hätte sich überlegen können, ein Spiel zu kopieren und zum Selberspielen auszulegen.
Überhaupt ist die Ausstellung recht schriftarm. Texttafeln gibt es überhaupt nicht, lediglich an den Exponaten liegen kleine Zettel mit den Basisinformationen. Der propagandistische Charakter und die Verharmlosung der Gewalt liegen auch ohne erhobenen Zeigefinger für den Besucher offen zu Tage. Man darf sich das aber nicht als gelenkte Propaganda vorstellen, vielmehr waren die Spielzeughersteller nach dem kriegsbedingten Verlust ihrer Exportmärkte auf der Suche nach neuen Kaufanreizen für den Heimatmarkt. Ohnehin ist nur das Design kriegssepzifisch. Ansonsten handelt es sich lediglich um Derivate von klassischen Spielen, wie sie zu allen Zeiten gespielt werden. Etwas versteckt weist Mensenkamp im Katalog (S. 45) darauf hin, daß die Spiele üblicherweise darauf verzichten Rassen
oder Nationen zu diffamieren – einen Rassenkrieg wie die Nazis hat man nicht geführt. Es ist mir nicht so recht verständlich, warum man den Katalog lesen muß, um das zu erfahren. Darüberhinaus fehlen Spielzeugwaffen, aber Marion Faber beschreibt in ihren Katalogaufsatz auch solche aus industrieller Produktion, nur besitzt Mensenkamp offenbar keine.
Es ist nicht verwunderlich, daß sich die meisten Spiele an Jungen richten. Etwas merkwürdig finde ich aber dennoch, daß ich auch beim Durchblättern des Kataloges kein explizites Mädchenspielzeug finde. Ich denke da etwa an Krankenschwesterpuppen. Lediglich die um 1890 hergestellten papierenen Ankleidefiguren der deutschen Kaiserfamilie (Kat.-Nr. 17) machen da eine Ausnahme.
Neben den hauptsächlich an Kinder adressierten Spielen in der Heimat gibt es auch Spiele für die Front, um die Langeweile im Schützengraben oder Lazarett zu vertreiben. Dazu gehören die typischen Mühle-Dame-Schach-Kombinationen, hier dann in feldpostgeeigneten Verpackungen. Und auch ein altes Mensch-ärgere-dich-nicht, das seine Popularität der Tatsache verdankt, daß der Erfinder 3000 Stück an Lazarette verschenkte, wird gezeigt. Leider gibt es keinen weiteren Aufschluß zu der Frage der frühesten Datierung.
Trotz ihrer sehr reduzierten Darbietungsweise kann ich einen Besuch der Ausstellung nur wärmstens empfehlen. Spiele gehören zu den, wie man unter Archäologen sagt, charismatischen Objekten
, weil sie auch die emotionelle Ebene schnell ansprechen. Wenn man etwas tiefer in das Thema eintauchen will, muß man sich den mit 19,50 € recht preisgünstigen Katalog leisten.
Anmerkungen
1Dieter Mensenkamp, Andreas Sandmann, Karin Thielecke (Red.): Krieg ist kein Spiel! – Spiele zum Ersten Weltkrieg. Spiele aus der Sammlung Dieter Mensenkamp. Kassel: Museum für Sepulkralkultur, 2014. 143 S. ISBN 9783924447540.
Leave a Reply