Vor einigen Jahren fand ich in einem Göttinger Antiquariat, das immer eine sehr gute Auswahl an Regionalica anbot, einige Schachzeitschriften aus den Jahren 1946 – 1948. Auf meine Frage, ob aus diesem Konvolut noch mehr vorhanden sei, zeigte mir der Antiquar eine Kiste mit nicht einsortierten Büchern, in der ich nur noch ein Schachbuch, das 1952 als Preis beim Jubiläumsblitzturnier des SC Tempo Göttingen 1922 ausgereicht wurde, fand. Die handschriftliche Widmung lautet:
Dem Sieger in der Ⅱ. Klasse des Jubiläums-Blitzturniers des Schachklubs ‵Tempo 1922′. Göttingen, den 14. 2. 52 Herrn Ehlert.
Dr. Georg Grabitz, der 1955 Mitglied bei Tempo wurde, kann sich nicht an einen Spieler dieses Namens erinnern. Da die auf Grabitz’ Erinnerungen und Zeitungsmeldungen fußende Vereinschronik zum 75jährigen Bestehen nicht vor 1954 zurückreicht, hat selbst eine so unscheinbare Quelle einigen Wert. Die Schachzeitungen tragen größtenteils einen Besitzerstempel Dr. med. H. Wepner Reyershausen über Göttingen
. Ein Heinz Wepner hat 1940 an der medizinischen Fakultät der Universität Göttingen promoviert, aber Grabitz kennt auch ihn nicht. Ursprünglich wurden die Hefte in Peine verkauft, denn es finden sich jeweils ein Stempel der heute noch existenten Buchhandlung Ferdinand Gillmeister und einer Buchhandlung Trottnow Inh. Franz Pohlner
, beide aus Peine. Es ist aber nicht ganz sicher, ob Buch und Zeitschriften wirklich aus demselben Posten stammen.
Das Buch Blick nach draußen von Ludwig Steinkohl selbst ist wenig aufregend. 1 Die Partien sind nahezu unkommentiert und nur mit kurzen Einleitungen versehen. Im Prinzip ist es ein schnelles Update für die durch Krieg und Gefangenschaft vom journalistischen Informationsfluß abgeschnittenen Schachfreunde. 1948 mag das auch sinnvoll gewesen sein, zumal Papier knapp war. Steinkohl behielt diesen Stil aber auch später bei. Er war kein analytischer Autor, sondern ein Schnell- und Vielschreiber, der sich praktisch auf billige Zweitverwertung aktueller und/oder anspruchsvollerer Quellen beschränkte. Als ich 1985 die Rochade Europa abonnierte, war er dort regelmäßiger Autor, und in deren Panoptikum von Möchtegernautoren dürfte er sogar noch einer der besseren gewesen sein, weil er zumindest keinen Unsinn schreibt. Immerhin lassen Vor- und Nachwort von 1948 erahnen, daß die antisemitische Hetze des Dritten Reiches an ihm abgeprallt ist und er über Empathie für die NS-Opfer verfügt. Ich habe mir als Jugendlicher auch sein Fernschachbuch 2 gekauft, aber das ist, wiewohl wesentlich umfangreicher, nach genau derselben Masche gestrickt.
Anmerkungen
1Ludwig Steinkohl: Blick nach draußen. Eine Auslese von 60 Meisterpartien aus internationalen Schachturnieren dreier Erdteile. Gespielt in den Jahren 1945 bis 1947. Wiesbaden: Limes-Verlag 1948, 64 S.
2Ludwig Steinkohl: Faszination Fernschach. Düsseldorf: Walter Rau 1984, 240 S. ISBN 3791902229.
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